Ich atme ein. Ich raste aus.
Daniel Salamon
Veröffentlicht am
16.04.2025
Zuletzt aktualisiert
16.04.2025
Du kennst das wahrscheinlich: Es gibt diese Momente im Führungsalltag, die wie ein Vulkanausbruch unter der Oberfläche gären.
Es ist 11:43 Uhr. Du kommst gerade aus einem Meeting, das von dem Wort „agil“ eigentlich nur den Zeitdruck hatte. Deine Inbox zeigt 37 ungelesene Mails, die Präsentation für den Vorstand ist noch nicht rund, und jetzt fragt jemand in der Kaffeeküche mit ernster Miene: „Hast Du mal kurz fünf Minuten für mich?“
Spoiler Alert: Du hast sie nicht.
Und in genau diesem Moment passiert es:
Du atmest ein – und rastest innerlich aus.
Herzlich Willkommen im Management-Alltag.
Dieser Moment zwischen funktionalem Fokus und stillem Fluch. Doch was wäre, wenn genau dieser Atemzug mehr verändern könnte als jede Zeitmanagement-Empfehlung?
Atmen ist nicht alles – aber ohne Atmen ist alles nichts
Inmitten von KPI-Druck, Quartalszielen und Digitalstrategien klingt „Atmen“ ungefähr so hilfreich wie Kamillentee im Budgetmeeting. Atmung? Klingt zu einfach. Zu esoterisch. Und doch liegt hier ein zentraler Schlüssel für den beruflichen Aufstieg – nicht als esoterischer Ausflug, sondern als neurobiologisch verankerter Leadership-Hebel.
Denn in der Hochdruckzone zwischen Deadlines, Verantwortung und digitaler Dauerverfügbarkeit ist unsere Atmung oft das Letzte, auf das wir achten – und eigentlich genau das, was wir am dringendsten bräuchten.
Denn der Atem ist die einzige autonome Körperfunktion, auf die wir bewusst Einfluss nehmen kannst. Das heißt: Wir haben einen direkten Zugang zu unserem Nervensystem und können Stress reduzieren. Jederzeit – ohne irgendwelche Tools, ohne irgendeine App.
Forschung und Trainingsprogramme aus dem Bereich achtsamer Führung zeigen klar: Wer in entscheidenden Momenten bewusst atmet, gewinnt Zeit, Klarheit – und Handlungsfähigkeit. Wenn also alles um uns herum schneller wird, können wir durch bewusste Atmung langsamer – und damit klarer – werden. Und das ist in einer Arbeitswelt, die sich durch Geschwindigkeit und Komplexität definiert, ein absoluter Wettbewerbsvorteil.
Die Arbeitswelt 4.0 – ein Zeitalter der Daueranspannung
Wir leben nun mal in einer Ära, in der die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben nicht nur verschwimmen, sondern oft einfach verschwunden sind. Always-on ist nicht mehr optional, sondern stiller Standard.
Und dabei stehen Führungskräfte auch noch vor einer paradoxen Herausforderung: Sie sollen innovativ und empathisch, resilient und leistungsstark, verfügbar und reflektiert zugleich sein.
Ständige Erreichbarkeit, permanente Reizüberflutung und die Illusion, immer mehrere Dinge gleichzeitig erledigen zu müssen, führen zu einer chronischen Aktivierung Deines Stresssystems.
Das Resultat:
– Reizbarkeit.
– Impulsivität.
– Kurzschlussentscheidungen.
– Sinkende Präsenz im Team.
Unsere Aufmerksamkeitsspanne verkürzt sich, unser Denken wird enger, unsere Reaktionen impulsiver.
Und was leidet zuerst?
Unsere Führungsqualität.
Denn gute Führung erfordert Weitblick, Präsenz und Entscheidungsstärke – drei Dinge, die unter Dauerstress als Erstes verschwinden.
Warum der Atem unser wichtigstes Führungsinstrument ist
Wenn wir unter Druck geraten, übernimmt der Sympathikus, also das Stresssystem unseres Nervensystems die Kontrolle. Der Blutdruck steigt, der Atem wird flach, das Herz schlägt schneller. In diesem Zustand werden Entscheidungen nicht mehr bewusst, sondern instinktiv und reflexartig getroffen – Fight, Flight oder Freeze.
Doch genau in diesen Situationen wird echte Führung sichtbar: Wer jetzt handlungsfähig bleiben will, braucht Zugang zu Klarheit und nicht zum eigenen Autopiloten. Denn Führung bedeutet nicht, zu fliehen oder zu kämpfen.
Führung bedeutet: Standhalten, Klarheit bewahren, besonnen agieren.
Und genau hier kommt der Atem ins Spiel. Durch tiefe, bewusste Atmung können wir den den Parasympathikus aktivieren – der Teil des autonomen Nervensystems, der für Entspannung und Regeneration zuständig ist. Ein aktivierter Parasympathikus senkt den Blutdruck, beruhigt den Herzschlag – und bringt kognitive Zentren im Gehirn zurück auf Sendung
Mit jedem bewussten Atemzug signalisiert unser Körper: „Alles ist unter Kontrolle.“
Und das ist nicht nur irgendeine nette Idee – das ist messbar, trainierbar und wirksam.
Wissenschaftlich messbar: Atmen verändert dein Gehirn
Achtsamkeit und atembasierte Übungen sind längst keine Feelgood-Spielerei mehr, sondern neurowissenschaftlich belegte Werkzeuge. Studien zeigen, dass regelmäßiges Atemtraining:
die Aktivität der Amygdala reduziert (Stress- und Angstalarmzentrum)
die Konnektivität zum präfrontalen Kortex verbessert (Ort rationaler Entscheidungen)
die Dichte der grauen Substanz in Gehirnregionen erhöht, die für Selbstwahrnehmung, Emotionsregulation und Entscheidungsfindung zuständig sind
Kurzum: Du wirst ruhiger, klarer, schneller – ohne hektisch zu sein.
Zwischen einem externen Reiz und unserer Reaktion darauf liegt ein Raum. Das sagte schon der Neurologe und Psychiater Viktor Frankl. Und über diesen Raum, über diesen Moment haben wir die Kontrolle. Dieser Moment ist oft winzig, aber entscheidend.
In der Sprache der Achtsamkeit spricht man hier vom „Handlungsraum“. Und dieser Raum wird größer, je achtsamer wir sind bist. Atemtechniken helfen, diesen Raum bewusst zu „betreten“, anstatt sofort in reaktive Muster zu verfallen.
Vielleicht kennst Du das:
Jemand stellt Deine Entscheidung infrage – und Du willst sofort kontern.
Eine Kollegin bringt im Meeting „schon wieder“ ein Reizthema auf – und Du merkst, wie sich Dein Puls erhöht.
Dein Kalender platzt aus allen Nähten – und plötzlich wird aus „hands-on“ eher das Gefühl von „burned-out“.
Wenn Du es in diesen Momenten schaffst, erst zu atmen und dann zu handeln, transformierst Du nicht nur Deine Reaktion, sondern auch die Qualität Deiner Führung.
Box Breathing & Co – Atmen in vier Takten
Eine der wirkungsvollsten Atemtechniken, die selbst in Hochleistungsteams wie Spezialeinheiten und Einsatzkräften verwendet wird, ist das sogenannte Box Breathing:
4 Sekunden einatmen
4 Sekunden halten
4 Sekunden ausatmen
4 Sekunden halten
… und wieder von vorn.
Diese einfache Technik lässt sich überall integrieren:
– vor schwierigen Gesprächen
– zwischen zwei Terminen
– in der U-Bahn
– beim Zähneputzen
Und sie hat enorme Wirkung: Sie verlangsamt den Puls, reduziert die Reizschwelle und bringt uns vom Tunnelblick zurück ins klare Denken. Sie reguliert also nicht nur unsere physiologischen Stressreaktionen, sie bringt uns zurück in den Moment.
Und das Beste ist: wir brauchen dafür weder Yogamatte noch Klangschale.
Wir brauchen nur uns selbst – und die Entscheidung, kurz innerlich auf die Pausetaste zu drücken.
Studien belegen, dass schon acht Wochen täglicher Achtsamkeitspraxis messbare strukturelle Veränderungen im Gehirn auslösen können:
Die Amygdala, zuständig für Angst und Stress, wird weniger aktiv
Der präfrontale Kortex, zuständig für Planung und kluge Entscheidungen, wird stärker vernetzt
Die graue Substanz in Arealen für Selbstwahrnehmung und Empathie nimmt zu
Das heißt: Mit jedem bewussten Atemzug bauen wir genau die Fähigkeiten aus, die für Führung im 21. Jahrhundert essenziell sind:
Präsenz. Klarheit. Resilienz.
Von reaktiv zu kreativ – Wo Führung beginnt
Stress führt zu reaktiven Mustern. Viele Entscheidungen entstehen dann aus einem Gefühl der Überforderung, nicht aus innerer Klarheit. Doch echte Führung bedeutet, neue Wege zu gehen, wo andere stecken bleiben.
Und das geht nur, wenn wir aus dem Reaktionsmodus aussteigen können. Atembasierte Achtsamkeit trainiert genau diesen Abstand zwischen Reiz und Reaktion, zum Beispiel durch die Integration der sogenannten TLEX Triple-A-Formel:
Awareness – Wahrnehmen, was gerade los ist, innerlich wie äußerlich
Acceptance – Die Situation annehmen, ohne sofort handeln zu müssen oder dagegen anzukämpfen
Action – Bewusst und mit Klarheit entscheiden, was jetzt wirklich sinnvoll ist
Diese Formel ist kein esoterisches Konzept, sondern ein Framework für situative Führung – vor allem in Kontexten, wo schnelle Reflexe kontraproduktiv sein können, beispielweise in drohenden zwischenmenschlichen Eskalationen, Konflikten oder umfangreichen Change-Prozesse.
Die Führungsqualität der Zukunft? Innere Präsenz.
Unser Team wird uns nie mehr vertrauen als wir uns selbst.
Und es wird nie ruhiger um uns herum, als es in uns selbst ist.
Wer führen will, muss lernen, sich selbst zu führen. Im Sturm, unter Druck, im Chaos. Und dazu braucht es innere Werkzeuge. Dein Atem ist eines der mächtigsten davon.
Denn er ist immer da.
Gerade in Zeiten, in denen künstliche Intelligenz Entscheidungen automatisieren kann, wird Selbstwahrnehmung zur wichtigsten Leadership-Kompetenz.
Warum?
Weil inmitten von Volatilität, Ungewissheit, Komplexität und Ambiguität nicht nur rationale Kompetenz zählt, sondern die Fähigkeit, ruhig und weitsichtig zu bleiben, wenn alles andere laut wird.
Präsenz, also geistige Anwesenheit, entsteht nicht durch mehr Items auf der To-Do-Liste, sondern durch mehr Innehalten.
Und das beginnt – mit einem Atemzug.
Atmen ist Leadership
Wer führen will, muss zuerst lernen, sich selbst zu führen. Das ist die alte (und richtige) Management-Weisheit.
Und Selbstführung beginnt dort, wo wir am leichtesten Zugriff haben: beim eigenen Atem.
Nicht laut. Nicht besonders spektakulär.
Aber hochwirksam.
Also: Wenn du das nächste Mal denkst „Ich atme ein – ich raste aus“, dann nimm genau diesen Moment und mach ihn zum Wendepunkt.
Atme ein. Halte. Atme aus. Halte.
PS:
Wenn Du tiefer einsteigen möchtest in die Verbindung von Atmung, Achtsamkeit und moderner Führung, kann ich Dir ein Buch besonders ans Herz legen:
„Atmen – Der Schlüssel zur erfolgreichen und gesunden Führung“
Dieses Buch zeigt praxisnah, wissenschaftlich fundiert und gleichzeitig super alltagstauglich, wie Du als Führungskraft mithilfe bewusster Atemtechniken nicht nur gelassener wirst, sondern klarer entscheidest, gesünder führst und resilienter durch stürmische Zeiten gehst.
Verfasst wurde es von einem der erfahrensten Experten in diesem Feld: Christoph Glaser, Geschäftsführer des TLEX Institute.
Er hat in den letzten 20 Jahren internationale Top-Führungskräfte, Organisationen und Institutionen wie die Weltbank, die Harvard Business School, General Electric, die Deutsche Telekom oder Accenture im Bereich achtsamer Führung begleitet.
Was ihn auszeichnet, ist die seltene Fähigkeit, neurobiologische Tiefe, persönliche Erfahrung und sofort anwendbare Tools so zu verbinden, dass sie in der Führungspraxis wirklich funktionieren – ganz ohne Räucherstäbchen und Esoterik, aber mit echtem Impact.